Einen alten Baum verpflanzt man nicht

Ist dieses Sprichwort immer zutreffend?

Diesen Satz höre ich oft von älteren Menschen, sobald wir über das Thema „Umzug“ sprechen. Ich verstehe das gut. Gewachsene soziale Beziehungen, die Infrastruktur unserer gewohnten Nachbarschaft und die zahlreichen Erinnerungen, die wir mit diesem Wohnumfeld verbinden, bedeuten jedem von uns viel. Der Gedanke, sich davon lösen zu müssen, schmerzt. Hinzu kommt die Planung eines Umzugs mit den anfallenden Arbeiten.

Es gibt jedoch Situationen, in denen ein Wohnungswechsel ein großes Plus an Lebensqualität mit sich bringt. Dieser Beitrag richtet sich insbesondere an Menschen, die sich vor vielen Jahren ein Häuschen im Grünen zugelegt haben. Die Pflege von Haus und Hof wird zunehmend anstrengender und so taucht vielleicht hin und wieder der Gedanke an einen Umzug in die Stadt auf.

Als Beispiel möchte ich Ihnen von einem mir gut bekannten Ehepaar erzählen, das sich im höheren Lebensalter zu einem solchen Wechsel entschlossen hat:

Wie war die wohnliche Situation?

Das Ehepaar Ilse und Helmut M. lebte fast 30 Jahre in einer Doppelhaushälfte in einem Vorort von Fürth. Der kleine Garten wurde vom Ehemann Helmut liebevoll gepflegt und er traf sich regelmäßig mit seinen Freunden im nahegelegenen Sportverein zu einer Runde Tennis. Der Weg in den Stadtwald war kurz, das Verhältnis zu den Nachbarn sehr freundschaftlich.

Diese Annehmlichkeiten waren der Grund für Ehefrau Ilse, den Gedanken an einen Umzug viele Jahre zu verdrängen. Durch die schnell fortschreitende Arthrose war das häufige Treppensteigen für sie schon lange sehr schmerzhaft geworden. Der kleine Laden am Ort war geschlossen und so fuhr Ilse mit dem Vorortzug für jeden kleinen Einkauf in die Stadt. Oft fehlte ihr deshalb die Kraft, den Ruhestand wirklich zu genießen.

Nachdem weder eine Knie- noch eine Hüftoperation die erhoffte Erleichterung brachten, wurde der Wunsch nach einem Umzug immer stärker. Ihre Tochter entdeckte eine geeignete 3-Zimmer-Wohnung in der Südstadt von Nürnberg. Lage und Ausstattung entsprachen den Vorstellungen der Eltern, der Kaufvertrag war schnell unterschrieben.

Der Umzug nach Nürnberg

Die Auflösung des Hauses war viel Arbeit, klappte jedoch dank der ostpreußischen Organisation der Hausherrin ohne große Probleme. Der große Küchenschrank steht nun in einer Studentenbude und die Saftpresse bringt vermutlich immer noch eine Großfamilie gesund durch den Winter.

Wie veränderte sich das Leben nach dem Umzug?

Ilse M. hatte noch weitere Gelenkoperationen und schätzte deshalb besonders den Aufzug und das Wohnen auf einer Ebene. Das geräumige Bad und die schwellenlosen Türen erleichterten den Alltag. In den zahlreichen kleinen Läden in der Nachbarschaft liess sich alles Notwendige finden, auch die Arztpraxen waren fußläufig zu erreichen.

Nach kurzer Zeit hatte sie wieder genügend Energie für kulturelle Veranstaltungen oder einen gelegentlichen Shoppingbummel durch die Nürnberger Fußgängerzone.

Wie ist es dem Ehemann ergangen?

Helmut vererbte den Tennisschläger seiner ältesten Enkelin, kaufte sich zwei Nordic Walking Stöcke und drehte bald begeistert regelmäßige Runden um den Dutzendteich. Als kontaktfreudiger Rheinländer nutzte er jede Gelegenheit zu einem Schwätzchen mit anderen Hausbewohnern. Manch nette Konversation entwickelte sich beim gemeinsamen Wäscheaufhängen oder Zeitungsholen. Vom Balkon im ersten Stock erfreute er sich an den Gärten seiner Nachbarn ohne einen Gedanken ans Gießen oder Schneeschaufeln.

Beide meinten, durch den Umzug ein großes Stück Lebensqualität gewonnen zu haben. 

Besonders froh waren sie über die rechtzeitige Veränderung bevor körperliche und geistige Fähigkeiten eventuell stark nachgelassen hätten. So konnten sie sich gut eingewöhnen und profitierten noch fast zwei Jahrzehnte von der angenehmen Wohnqualität.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer jetzigen Wohnsituation?

Diese Schilderung regt Sie vielleicht zum Nachdenken über Ihre eigene Wohnsituation an. Das Haus im Grünen, meist mit mehreren Stockwerken, hat seine Vorteile. Im Alter kann es jedoch beschwerlich werden. Eine ebenerdige Wohnung oder eine Wohnung mit Fahrstuhl bieten da mehr Komfort.

Teilweise hat sich die Nachbarschaft durch den Generationswechsel verändert und soziale Kontakte sind weniger geworden. Besonders im Winter wird es dann einsam. In manch ländlichen Gegenden verschlechterte sich die Infrastruktur. Busse fahren nicht ausreichend, Einkaufsmöglichkeiten schwinden und die gesundheitliche Versorgung lässt zu wünschen übrig.

»Nicht das Alter gefährdet die selbständige Lebensführung, sondern oft ist es eine nicht altersgerechte Wohnsituation!

Einige Überlegungen, die Ihnen bei der Entscheidung für oder gegen einen Umzug helfen können:

  • Wie ist mein körperlicher und geistiger Gesundheitszustand? Habe ich bereits körperliche Einschränkungen, die sich vermutlich noch verstärken werden?

  • Wie ist meine momentane Wohnsituation? Kann ich durch bauliche Veränderungen oder den Einsatz von Hilfsmitteln meinen Alltag erleichtern?

  • Wer hilft mir im Garten? Wie weit sind Geschäfte und Ärzte von mir entfernt? Komme ich dort im Zweifelsfall auch ohne Auto hin? Sind öffentliche Verkehrsmittel leicht erreichbar?

  • Gibt es in meiner Nähe ambulante Dienste, die ich engagieren könnte? Kann ich mit der Unterstützung von Angehörigen, Nachbarn oder Freunde zuverlässig rechnen?

  • Wie sind meine finanziellen Voraussetzungen?

  • Wie groß ist mein Bedürfnis nach Sicherheit bzw. Selbständigkeit?

Vielleicht hilft Ihnen auch eine Pro- und Contra-Liste. Schreiben Sie die jeweiligen Vor- und Nachteile auf, die ein Wohnungswechsel für Sie bringen würde. Nicht alles lässt sich voraussehen, das Aufschreiben bringt jedoch zusätzliche Klarheit über die einzelnen Punkte.

Nehmen Sie sich für Ihre Entscheidung viel Zeit. Sprechen Sie mit anderen über Ihre Gedanken und informieren Sie sich über geeignete Wohnungsangebote in dem gewünschten Stadtteil.

Zu einem Umzug im höheren Lebensalter gehören Offenheit, Vertrauen und eine große Portion Mut. Aber vielleicht sagen auch Sie eines Tages:

„Auch alte Bäume lassen sich gut verpflanzen!“

 

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