Wie bekomme ich einen Schwer­behinderten­ausweis?

Mit einem Schwerbehindertenausweis haben Sie Anspruch auf verschiedene Vergünstigungen im Alltag. Welche Voraussetzungen sind erforderlich und wo können Sie den Antrag stellen?

Offiziell gibt es in Deutschland 7,6 Millionen Schwerbehinderte. In der Realität dürften es etliche mehr sein, denn viele Menschen sind schwerbehindert und wissen es nicht. Ihnen ist nicht bekannt, dass auch chronische Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder ein Bronchialasthma bei bestimmten Voraussetzungen als Schwerbehinderung gelten. Damit entgehen den Betroffenen Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen.

Menschen mit einer Behinderung stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Ziel ist es, auch Menschen mit dauerhaften körperlichen oder geistigen Einschränkungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Der geschichtliche Hintergrund war die Versorgung der Kriegsopfer und die schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Deshalb gibt es für Arbeitnehmer die umfangreichsten Nachteilsausgleiche. Aber auch für andere Bevölkerungsgruppen mit Behinderungen lohnt sich ein Antrag auf Schwerbehinderung. Ich gebe Ihnen in diesem Beitrag eine Übersicht über die wichtigsten Punkte:

Hinweis: Hervorgehobene Begriffe führen Sie direkt zu näheren Informationen auf den entsprechenden Webseiten.


1. Was definiert eine Schwerbehinderung?


Eine Behinderung im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn diese

  • länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Gesundheitszustand abweicht und daher

  • die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Die Schwere einer Behinderung drückt der GdB (Grad der Behinderung) aus. Schwerbehindert ist, wer einen GdB von mindestens 50 %  hat und in Deutschland wohnt.

Als Behinderungen gelten Einschränkungen der körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Nicht berücksichtigt werden Beeinträchtigungen z.B. nach einer Operation, die voraussichtlich nicht länger als ein halbes Jahr andauern oder alterstypische Beschwerden. Dafür sind die Kranken- oder Pflegekassen zuständig.

Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass der Antragsteller sich regelmäßig ärztlich behandeln lässt und die Therapien keinen ausreichenden Erfolg gezeigt haben.

 


2. Was ist ein Schwerbehindertenausweis?


Schwerbehinderte Menschen bekommen auf Antrag einen Schwerbehindertenausweis – ab einem GdB von mindestens  50 %. Im Ausweis stehen Grad der Behinderung und eventuelle Merkzeichen. Er dient als Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und Nachteilsausgleichen.

Seit 2013 gibt es ihn im Scheckkartenformat, vorher ausgestellte Ausweise behalten  jedoch ihre Gültigkeit. Ab dem 10. Lebensjahr ist ein Lichtbild aufgedruckt.

Auf der Vorderseite steht die Gültigkeitsdauer, in der Regel befristet auf 5 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit können Sie zweimal ohne größere Formalitäten eine Verlängerung beantragen, anschließend wird ein neuer Ausweis ausgestellt. Beim Vorliegen von Behinderungen, bei denen sich keine Änderung mehr ergibt, z.B. bei einer Oberschenkelamputation, ist er meist unbefristet.

 

Hinweis:Hat sich Ihr Gesundheitszustand wesentlich verändert, d.h. verbessert oder verschlechtert, müssen Sie dies dem zuständigen Versorgungsamt mitteilen, damit eventuell der GdB und die Merkzeichen neu festgesetzt werden können.

Es besteht keine Pflicht zur Beantragung und Sie brauchen den Ausweis auch nicht ständig bei sich haben. Bei Verlust stellen Sie einen neuen Antrag, Kopien sind nicht gültig – im Ausland gilt der Ausweis nicht. Beim Umzug informieren Sie bitte Ihr zuständiges Versorgungsamt.


3. Wie erhalten Sie einen Schwerbehindertenausweis?


In Bayern stellen Sie den Antrag beim zuständigen Versorgungsamt (= Dienststelle des Zentrum Bayern Familie und Soziales, ZBFS) –  online oder schriftlich. Antrag und Verfahren sind kostenlos.

Antragsformulare gibt es beim Versorgungsamt, bei Ihrer Gemeinde, oft beim Sozialdienst von Kliniken und Rehaeinrichtungen.

Im Internet finden Sie den Antrag unter: www.schwerbehindertenantrag.bayern.de

Neben den persönlichen Daten geben Sie im Antrag auch Angaben zu Behinderungen, Erkrankungen, ärztlichen Behandlungen sowie Krankenhaus- und Rehaaufenthalte (der letzten zwei Jahre) an.

Hinweis: Im Regelfall erfolgt die Bearbeitung nach Aktenlage und nicht nach persönlicher Begutachtung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass alle relevanten Unterlagen dem Antrag beiliegen. Beschreiben Sie die Einschränkungen in Ihrem Alltag so genau wie möglich, Fachbegriffe sind nicht erforderlich. Informieren Sie die behandelnden Ärzte über Ihre Antragstellung und unterschreiben Sie die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.

Es dauert etliche Wochen, bis der Antrag geprüft wurde. Sind alle Unterlagen vorhanden, kann sich die Bearbeitungszeit verkürzen. Sie erhalten dann einen schriftlichen Bescheid. Sind Sie damit nicht einverstanden, legen Sie innerhalb eines Monats Widerspruch ein, schriftlich oder mündlich. Halten Sie aber vorher Rücksprache mit Ihrem Arzt und kontrollieren Sie, ob tatsächlich alle wichtigen Punkte angegeben wurden. Mitglieder vom VdK können sich dort Unterstützung bei der Formulierung des Widerspruchs holen.

 


4. Wie wird der Grad der Behinderung festgestellt?


Der Grad der Behinderung (GdB) kennzeichnet die Auswirkungen der Einschränkungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Festgelegt wird dieser Wert in Zehnerschritten zwischen 20 – 100, im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man von den „Prozenten“.

Anhand einer GdB-Tabelle werden die verschiedenen Behinderungen und die damit verbundenen Einschränkungen jeweils einem bestimmten Einzel – GdB zugeordnet. Bei mehreren Einschränkungen zählt man diese nicht zusammen, sondern  es wird die Einschränkungen im Ganzen betrachtet. Was ist die größte Beeinträchtigung und wie beeinflussen sie die anderen Erkrankungen?

 


5. Was bedeutet ein Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis?


Spezifische Behinderungen und gesundheitliche Einschränkungen werden durch „Merkzeichen“ kenntlich gemacht – sie berechtigen zu  weiteren Nachteilsausgleichen und müssen beantragt werden.

Hier ein Überblick über die häufigsten Merkzeichen:


Merkzeichen aG
– außergewöhnliche Gehbehinderung
Hierzu zählen z.B. Menschen mit doppelter Amputation der Unterschenkel, Querschnittsgelähmte oder Menschen, die sich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen können.


Merkzeichen B
– Berechtigung zur kostenfreien Mitnahme einer Begleitperson
Berechtigt sind Menschen, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrmitteln regelmäßig auf Unterstützung angewiesen sind und gleichzeitig das Merkzeichen G, H oder GI (Gehörlos) haben. Das heißt jedoch nicht, dass der schwerbehinderte Mensch nicht auch alleine mit der Bahn fahren darf.


Merkzeichen H
– Hilflos
Personen mit einem anerkannten Pflegegrad 4 oder 5 erfüllen in der Regel die Voraussetzungen für dieses Merkzeichen.

Übrigens: Ein Schwerbehindertenausweis allein berechtigt nicht zum Parken auf Behindertenparkplätzen. Dafür ist ein spezieller EU-Parkausweis Pflicht, der nur mit dem Merkzeichen aG oder Bl (blind) beantragt werden kann. Manchmal stellen Gemeindeverwaltungen eine befristete Ausnahmeregelung aus, z.B. zum Parken vor der Arztpraxis nach einem komplizierten Bruch und dadurch entstandener Gehbehinderung.

In Bayern gibt es eine Sonderregelung mit dem Parkausweis „nur BY“. Nähere Informationen dazu bei Ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung.


6. Welche Nachteilsausgleiche erhalten Sie mit dem Schwerbehindertenausweis?


Nachteilsausgleiche sind verschiedene Hilfen für Menschen mit Behinderung zum Ausgleich für behinderungsbedingte Nachteile und Mehraufwendungen.

 Öffentliche Verkehrsmittel

Das Merkzeichen „G“ berechtigt entweder zu einer ermäßigten Kfz-Steuer (das Auto muss auf den Antragsteller zugelassen sein) oder zum Kauf einer Wertmarke für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im gesamten Bundesgebiet. Diese Marke kostet zur Zeit  91 Euro/Jahr.

Tipp: Bei der Deutschen Bundesbahn erhalten Schwerbehinderte mit einem GdB von mindestens 70 die BahnCard 25 und BahnCard 50 zum ermäßigten Preis.

Steuererleichterungen

Bei der jährlichen Steuererklärung können Sie einen Behindertenpauschbetrag ansetzen, abhängig von dem GdB. Beim Vorliegen eines GdB von 80 beträgt er momentan etwa  1.060 Euro.

In vielen Gemeinden sind schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen Bl oder H von der Hundesteuer befreit. Erkundigen Sie sich bitte bei Ihrer Gemeinde.

Beruf

Für noch berufstätige Menschen gibt es u.a. einen besonderen Kündigungsschutz, Sonderurlaub oder eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes. Weitere Informationen und Unterstützung geben die Integrationsfachdienste. Für Mittelfranken: www.ifd-ggmbh.de

Ermäßigungen bei Eintrittsgeldern und Mitgliedschaften

Freizeiteinrichtungen und kulturelle Institutionen (Museen, Kinos etc.) bieten Vergünstigungen auf freiwilliger Basis. Fragen Sie danach an der Kasse.

Bei Ihrer Gemeindeverwaltung können Sie sich über weitere Nachteilsausgleiche, z.B. im Bereich des Wohnens erkundigen, z.B. bei der Wohnungsbauförderung oder Wohngeld. Bei einer Kündigung des Wohnverhältnisses geben Mietervereine Auskunft zum besonderen Kündigungsschutz.

 

 
Die Broschüre „Wegweiser für Menschen mit Behinderung – Rechte und Nachteilsausgleiche“ vom Zentrum Bayern Familie und Soziales bietet einen Überblick über Rechte und Antragsverfahren sowie Kontaktdaten der zuständigen Stellen.

Bestellung im Internet: http://www.bestellen.bayern.de oder zum Herunterladen HIER.

Persönliche Beratung erhalten Sie in

Nürnberg:

 » Zentrum Bayern Familie und Soziales – Regionalstelle Nürnberg
Bärenschanzstraße 8c, 90429 Nürnberg, Tel. 0911 – 928 – 2080

» ServiceZentrum Nürnberg (SZN) – Beratung für Menschen mit Behinderung, Wallensteinstraße 61 – 63
90431 Nbg., Tel. 0911 / 60 06 69 80

www.bezirk-mittelfranken.de     E-Mail: SZB@bezirk-mittelfranken.de


Erlangen:

» Online-Wegweiser für Menschen mit Behinderung als Informationshilfe und Nachschlagewerk:  Wegweiser Behinderung

» Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter ZSL e.V. www.zsl-erlangen.de

 
Fürth:

» Behindertenrat der Stadt Fürth, Technisches Rathaus, Hirschenstraße 2, Tel. 0911 – 974 1783      www.behindertenrat-fuerth.de

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